Nabelschnurblut

Wie Stammzellen nicht altern: Neue Erkenntnisse zur Langzeit-Kryokonservierung von Nabelschnurbluten

Nabelschnurblut kann für sehr lange Zeit eingelagert werden, mithilfe von flüssigem Stickstoff, durch sogenannte Kryokonservierung.

Warum ausgerechnet Nabelschnurblut für lange Zeit eingelagert werden sollte?

Nabelschnurblut enthält Blutstammzellen

Blutstammzellen, sie finden sich im Körper von Erwachsenen im Knochenmark, bilden bei Bedarf jederzeit alle Zellen des Blutes neu – und das ein Leben lang1. Die Zellen im Blut müssen immer dann ersetzt werden, wenn sie beschädigt wurden, oder ihre natürliche Lebensdauer abgelaufen ist. Die Lebensspanne der verschiedenen Blutzellarten ist dabei sehr verschieden und reicht von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahrzehnten2-5 6,7 8. Indem Blutstammzellen die absterbenden Blutzellen ersetzen, tragen sie indirekt zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen wie der Immunabwehr oder dem Sauerstofftransport bei.

Nabelschnurblut enthält eine klinisch-relevante Anzahl von Blutstammzellen9; pro Milliliter Blut mehr als doppelt so viele wie das Knochenmark eines Erwachsenen10 und  ist die einzige Möglichkeit diese Stammzellen ohne operativen Eingriff oder ohne die Gabe von Hormonen zu gewinnen.

Nabelschnurblut wird in der Klinik verwendet

Beispielsweise um nach einer Hochdosis-Chemotherapie oder Bestrahlungstherapie die Blutbildung und das Immunsystem von Patient*innen neu aufzubauen9,11. Die schwerste Nebenwirkung dieser Therapien ist nämlich, dass sie das Knochenmark irreversibel zerstören—und damit den Ursprung aller Zellen des Blutes und Immunsystems. Ohne das Knochenmark und die dort gebildeten Blutzellen können lebenswichtige Körperfunktionen nicht aufrechterhalten werden—zum Beispiel der Sauerstofftransport oder eben die Immunabwehr. Mit Nabelschnurblut, oder genauer gesagt, mit den Blutstammzellen im Nabelschnurblut, kann das Knochenmark im Rahmen einer Therapie erneuert werden—und damit die Blutbildung—und das Immunsystem11.

Nabelschnurblut kann langfristig aufbewahrt werden

Die Kryokonservierung von Nabelschnurblut ist eine Möglichkeit, Blutstammzellen für zukünftige medizinische Behandlungen langfristig zugänglich zu machen. Das Entscheidende dabei: Die Gesundheit und Funktion der Stammzellen müssen über lange Lagerungszeiten hinweg gewährleistet werden, so dass das therapeutische Potenzial der Zellen erhalten bleibt.

Früherer Forschungsarbeiten konnten die Stabilität von kryokonserviertem Nabelschnurblut und die Funktionalität der enthaltenen hämatopoetischen Stammzellen nach 23,5 Jahren Lagerung bei Temperaturen um -180 °C belegen12. Für längere Lagerungszeiten existierten bislang keine Daten, diese sind aber vor allem für Nabelschnurblutbanken die bereits seit den 1990er Jahren Nabelschnurblute einlagern relevant.

Erkenntnisse zur Langzeitlagerung von Nabelschnurblut

Wissenschaftliche Daten belegen nun die Qualität von Nabelschnurbluten, die über einen Zeitraum von bis zu 29 Jahren kryokonserviert wurden. Deutsche und französische Wissenschaftler*innen 13 haben dazu Proben von Nabelschnurbluten untersucht, die zum einen nach verschiedenen Verfahren verarbeitet worden waren (automatisiert volumen-reduziert, manuell volumen-reduziert, unsepariert) und zum anderen über unterschiedlich lange Zeiträume von bis zu 29 Jahre kryokonserviert wurden. Die Wissenschaftler*innen fanden heraus, dass das Verarbeitungsverfahren keinen signifikanten Einfluss auf die Qualität der Nabelschnurblute nach dem Auftauen hat (Abbildung 1A).

 

Abb 1: Zell-Vitalitäten für A: TNC (Total Nucleated Cells) und B: Stammzell-Fraktionen (CD34+) aus Nabelschnurbluten in Abhängigkeit der Dauer der Kryokonservierung und des Aufbereitungsverfahrens, adaptiert nach 13

 

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die Wissenschaftler*innen hinsichtlich der Lagerdauer. Nabelschnurblute die nach 29 Jahren Kryokonservierung aufgetaut worden waren, wiesen eine außerordentlich hohe und mit den anderen betrachteten Lagerungszeiten vergleichbare Zellvitalität, insbesondere der CD34-positiven Stammzell-Fraktion, auf (Abbildung 1B). CD34-positive Stammzellen sind die blutbildenden Stammzellen.

Die Autoren schlussfolgern, dass die Dauer der Kryokonservierung keinen Einfluss auf das Einwandern der Nabelschnurblut-Stammzellen nach einer Hochdosis-Chemotherapie in das Knochenmark hat.

Sie bestätigen die hohe Qualität von Nabelschnurbluten selbst nach langen Lagerungszeiten, egal mit welcher Methode, die Nabelschnurblute aufbereitet wurden. Sowohl unseparierte als auch volumenreduzierte Nabelschnurblute (manuell und automatisiert) stellen eine zuverlässige Quelle für Transplantationen dar, mit einer bestätigten Stabilität von bis zu 29 Jahren für unseparierte und 25 Jahren für volumenreduzierte Einheiten13.

Unsepariert, volumenreduziert: Was dahintersteckt

Die Begriffe „unsepariert“ und „separiert“ beziehen sich auf die Art und Weise, wie ein Nabelschnurblut nach einer Geburt und Entnahme aufbereitet wird. Das „unseparierte“ Nabelschnurblut ist ganz einfach das Blut, das direkt aus der Nabelschnur entnommen wurde. Es wird nach der Entnahme “nur“ mit einem Gefrierschutzmittel versetzt, damit die enthaltenen Zellen das Einfrieren überleben und enthält alle Bestandteile, die es von Natur aus hat: das Plasma sowie alle Blutzellen, inklusive der Blutstammzellen.

Wenn von „separiertem“ Nabelschnurblut die Rede ist, dann bezieht sich das darauf, dass das Nabelschnurblut vor dem Einfrieren speziell aufbereitet wird und die Blutstammzellen herausgefiltert wurden. Im Trennungsprozess werden meist die roten Blutkörperchen und das Plasma entfernt, so dass hauptsächlich die Blutstammzellen übrigbleiben. Diese können dann nach Zugabe eines Gefrierschutzmittels eingelagert werden.

Zur Erinnerung: Die Blutstammzellen sind so besonders, weil sie bei Bedarf alle Zellen des Blutes ersetzen und so dabei helfen können, verschiedene Krankheiten zu behandeln. Dank der enthaltenen Blutstammzellen können eingelagerte Nabelschnurblute (egal, ob separiert oder unsepariert) später für Behandlungen, wie beispielsweise eine Stammzelltransplantation, verwendet werden. Bei der Frage „Unsepariert oder volumenreduziert?“ geht es also um die Einlagerung des kompletten Bluts oder nur der speziellen Stammzellen.

 

Referenzen

1     Sieburg H.B;Cattarossi G;Muller-Sieburg C.E. 2013. PLoS Comput Biol. doi:10.1371/journal.pcbi.1003006.

2    Pillay J;den Braber I;Vrisekoop N., et al. 2010. Blood. doi:10.1182/blood-2010-01-259028.

3    Park Y.M;Bochner B.S. 2010. Allergy Asthma Immunol Res. doi:10.4168/aair.2010.2.2.87.

4    Siracusa M.C;Comeau M.R;Artis D. 2011. Ann N Y Acad Sci. doi:10.1111/j.1749-6632.2010.05918.x.

5    Patel A.A;Zhang Y;Fullerton J.N., et al. 2017. J Exp Med. doi:10.1084/jem.20170355.

6    Kaestner L;Bogdanova A. 2014. Front Physiol. doi:10.3389/fphys.2014.00269.

7    Franco R.S. 2012. Transfus Med Hemother. doi:10.1159/000342232.

8    Seifert M;Küppers R. 2016. Leukemia. doi:10.1038/leu.2016.226.

9    Broxmeyer H.E. StemBook: Cord blood hematopoietic stem cell transplantation. Cambridge (MA); 2008. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK44751/. Accessed April 29, 2019.

10  Bönig H;Heiden M;Schüttrumpf J., et al. 2011. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. doi:10.1007/s00103-011-1305-2.

11   Bundesärztekammer. 2019. Dtsch Arztebl International. doi:10.3238/arztebl.2019.rl_haematop_sz02.

12   Broxmeyer H.E;Lee M.-R;Hangoc G., et al. 2011. Blood. doi:10.1182/blood-2011-01-330514.

13         Liedtke S;Többen S;Gressmann H., et al. 2024. Stem Cells Transl Med. doi:10.1093/stcltm/szad071.