Embryonale Stammzellen
Was sind embryonale Stammzellen?
Embryonale Stammzellen sind ganz besondere Stammzellen, die nur im Embryo während seiner Entwicklung vorkommen. Man unterscheidet hier totipotente und pluripotente Stammzellen. Die totipotenten, embryonalen Stammzellen können sich in alle Gewebe- und Zellarten und damit zu einem kompletten, lebensfähigen Organismus entwickeln. Sie existieren in der Entwicklungsphase nur in einem recht engen Zeitfenster kurz nach der Befruchtung – nämlich dann, wenn die Blastozyste aus acht bzw. sechzehn Zellen besteht. Die pluripotenten, embryonalen Stammzellen existieren auch später noch, wenn die Entwicklung des Embryos zu einem größeren Zellhaufen fortgeschritten ist. Sie können keinen eigenständigen Organismus mehr hervorbringen, sich aber immerhin noch zu verschiedenen Gewebearten wie z. B. Hautzellen, Nervenzellen, Knorpelzellen oder Muskelzellen ausdifferenzieren.
Diese Eigenschaften und die Tatsache, dass sich embryonale Stammzellen sehr schnell vermehren, macht sie besonders interessant für die Forschung. Man kann so verschiedene Entwicklungsprozesse detailliert untersuchen. Außerdem hoffen die Forscher darauf, eines Tages mit ihrer Hilfe gezielt bestimmtes Gewebe (Stichwort: Tissue Engineering) herzustellen und möglicherweise sogar komplette Organe zu züchten. So gäbe es für viele Krankheiten neue Therapieoptionen.
Trotz der positiven Eigenschaften sind embryonale Stammzellen sehr umstritten, denn die Art ihrer Gewinnung ist ethisch schwer vertretbar[1]. Um embryonale Stammzellen zugewinnen, muss eine Blastozyste zerstört werden. Dabei handelt es sich um einen nur wenige Tage alten, in vitro erzeugten Embryo. In anderen Ländern wird außerdem die Isolierung humaner, embryonaler Stammzellen aus zuvor geklonten oder durch Parthenogenese, also aus einer unbefruchteten Eizelle, entstandenen Embryonen erforscht. Im Falle einer Transplantation erhofft man sich durch diese beiden Verfahren, das Abstoßungsrisiko zu minimieren, da die Stammzellen besonders jung, vital und anpassungsfähig sind. An anderen Gewinnungsverfahren, die den Embryo nicht schädigen, wird geforscht. Die Standardisierung dieser Verfahren im erforderlichen Maßstab befindet sich jedoch noch in weiter Ferne.
Einsatzmöglichkeiten in der Medizin
Insbesondere die Medizin setzt große Hoffnungen in die Forschung mit embryonalen Stammzellen. Ein mögliches langfristiges Ziel ist die Herstellung von Gewebe, das wenig bis gar kein Regenerationsvermögen besitzt wie beispielsweise Nervengewebe. Dies könnte dann bei der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Multipler Sklerose eingesetzt werden. Problematisch ist dabei jedoch, dass die eigentlich positiven Eigenschaften der Zellen, wie ihr schnelles, jedoch häufig unkontrolliertes Wachstum, gleichzeitig ein erhöhtes Krebsrisiko darstellen. In ersten klinischen Studien konnte diese Befürchtung bisher zwar nicht bestätigt werden, das Risiko besteht jedoch so lange, wie sich die Zellen im Körper befinden, was meist ein Leben lang ist. Um die Wirksamkeit der Stammzelltherapie mit embryonalen Stammzellen nachzuweisen, müssen zunächst weitere und umfassendere Studien folgen. Aktuell werden Einsatzmöglichkeiten bei der Behandlung von Querschnittlähmungen[2] sowie der zur Erblindung führenden, altersbedingten Makuladegeneration[3] untersucht.
Quellen:
- [1] Beiträge zur aktuellen Diskussion unter ethikrat.org : Stammzellforschung (http://www.ethikrat.org/themen/forschung-und-technik/stammzellforschung)
- [2] U.S. National Institutes of Health: Safety Study of GRNOPC1 in Spinal Cord Injury. NCT01217008.
- [3] Cyranoski, D.: Japanese woman is first recipient of next-generation stem cells. In: Nature. DOI: 10.1038/nature.2014.15915