„Designer-Baby“ – unethische Anmaßung oder Hoffnung auf ein gesundes Kind?
Man sieht sie förmlich vor sich: Zukünftige Eltern sitzen vor dem Computer und „konfigurieren“ ihr Wunschkind. Blond soll es sein, mit blauen Augen und die O-Beine des Vaters soll es natürlich nicht haben. Das ist das Bild, das der in letzter Zeit häufig in der Presse auftauchende Begriff „Designer-Baby“ suggeriert.
Doch geht es wirklich darum? Mitnichten! Ich halte den Begriff „Designer-Baby“ für diskriminierend und irreführend. Denn eigentlich geht es um die Präimplantationsdiagnostik (PID) in Familien, in denen ein Kind mit einer schweren genetisch bedingten Erkrankung lebt und die sich ein zweites Kind wünschen, das dieses Leiden nicht durchleben muss – also gesund ist.
Ein Beispiel für eine solche Erkrankung ist die Beta-Thalassämie, eine Bluterkrankung, die gehäuft in Mittelmeerländern auftritt. Um überleben zu können, müssen die Betroffenen jeden Monat ein bis zwei Bluttransfusionen bekommen und täglich Medikamente schlucken – ein Leben lang. Schwere Schäden an inneren Organen und Knochenfehlbildungen sind dennoch nicht auszuschließen. Die Erkrankung wird durch ein defektes Gen auf einem bestimmten Chromosom verursacht. Die Eltern haben jeweils ein defektes und ein „gesundes“ Gen. Da erst zwei defekte Gene die Beta-Thalassämie verursachen, zeigen die Eltern keine oder nur geringe Anzeichen der Erkrankung und müssen nicht behandelt werden. Das an der Beta-Thalassämie erkrankte Kind erbt also von beiden Eltern das defekte Gen.
Wenn sich die Eltern ein zweites Kind wünschen, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 25 Prozent, wieder ein Kind mit Beta-Thalassämie zu bekommen. Deshalb verzichten viele Eltern auf weitere Kinder. Oder sie entschließen sich zu einer vorgeburtlichen Diagnose in einem frühen Stadium der Schwangerschaft. Stellt sich dann heraus, dass das ungeborene Kind von der Erkrankung betroffen ist, können sie die Schwangerschaft abbrechen. Das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber unter diesen Umständen nicht verboten – auch nicht in Deutschland.
Eine andere Möglichkeit, ein gesundes Kind zu bekommen, bietet die PID. Dazu werden der Mutter Eizellen entnommen, die dann mit den Spermien des Vaters im Laborglas befruchtet werden. Nach wenigen Teilungsschritten entnimmt man den entstandenen Zellhäufchen jeweils eine einzige Zelle, während die anderen intakt bleiben. Die Erbsubstanz (DNA) der entnommenen Zelle lässt sich darauf testen, ob sie das defekte Gen enthält oder nicht. Hat man ein oder mehrere Zellhäufchen ohne den Gendefekt gefunden, können diese in die Gebärmutter eingesetzt werden und sich zu gesunden Kindern weiter entwickeln. Für die betroffenen Familien kann das eine große Erleichterung sein.
Doch die PID kann noch mehr. Mit ihrer Hilfe gibt es nämlich echte Heilungschancen für erkrankte Kinder: Durch die Transplantation von Stammzellen des gesunden Geschwisterkindes. Dazu müssen bestimmte Gewebemerkmale zwischen dem erkrankten und dem gesunden Geschwister übereinstimmen. Eine solche Übereinstimmung lässt sich ebenfalls mittels PID feststellen. Kommt dann das gesunde Kind zur Welt, kann das an Stammzellen reiche Nabelschnurblut des Neugeborenen entnommen und zur Heilung des erkrankten Geschwisterkindes genutzt werden. Das ist keine Fiktion, sondern z. B. in Spanien bereits erfolgreich praktiziert worden. Auch in den USA, Großbritannien, Belgien und Frankreich sind schon mit Hilfe der PID gesunde Kinder auf die Welt gekommen und einige davon haben mit ihrem Nabelschnurblut dem kranken Geschwisterkind ein neues Leben geschenkt.
Im Bundestag liefern sich Gegner und Befürworter der PID gerade erbitterte (Wort-) Gefechte, denn im Sommer soll darüber entschieden werden, ob die PID in Deutschland verboten wird oder mit Einschränkungen zulässig ist – nämlich bei schweren genetisch bedingten Erkrankungen, von denen die Beta-Thalassämie nur ein Beispiel ist.
Meine Meinung dazu ist ganz klar: Die Betroffenen, Eltern und ihre schwerkranken Kinder, sollen selbst entscheiden können. Wenn die Möglichkeit besteht, schweres seelisches und körperliches Leid zu lindern oder gar todgeweihten Kindern ein neues Leben zu ermöglichen, ist es unmenschlich, das durch ein staatliches Verbot zu verhindern!
(Dr. Erich Kunert)